von Friedrich Schiller | Spielfassung von Thorsten Köhler
Landestheater Coburg | 2024
Inszenierung, Kostüm | Bühne, Kostüm: Justus Saretz | Video: Grigory Shklyar
Schillernde Sprachkunst
„Pater Domingo neigt nicht zur Ehrlichkeit, aber manchmal entfleucht ihm im Affekt halt doch ein aufrichtiges Wort. ‚Arschloch‘ zischt Hochwürden dem herzigen Heißsporn Don Karlos hinterher – ganz leise, doch der liebe Gott hat’s gehört, und wir haben es auch. Und das ist gut so, denn darum sind wir ja hier, im Theater: Hören, sehen, fühlen wollen wir, verstehen, warum der Mensch so tickt, wie er tickt. Und warum es ihm so unfassbar schwerfällt, halbwegs gesittet mit Seinesgleichen auszukommen.
Dafür sind unsere Klassiker nach wie vor ausgesprochen hilfreich, weil sie die Lektionen der Selbsterkenntnis mit geschliffenen Sätzen in spannende Geschichten gepackt haben, die zu allen Zeiten passen. [… Und das Publikum kann sich mit allen Sinnen] einlassen auf die zeitlose Brisanz dieses Politthrillers und die Psychologie seines Personals, das sich in Thorsten Köhlers konzentrierter Inszenierung differenziert darstellen kann.
So grau wie der hermetische Führerbunker, den Ausstatter Justus Sarez samt putinverdächtigem Monumental-Tisch auf die Bühne gewuchtet hat, kommen sie zwar alle daher. Doch das Grau hat viele Abstufungen, jeder ist auf andere Weise Täter und Opfer in diesem tyrannischen Regime im angeschlagenen spanischen Weltreich des 16. Jahrhunderts, dessen Bezüge zu den menschenverachtenden Diktaturen des 20. und 21. Jahrhunderts offenkundig sind.
Das System hat sich längst verselbstständigt, gleich einer überirdischen Macht weist am Ende der teuflische Großinquisitor (Kerstin Hänel) selbst den König Philipp II. in seine Schranken. Mit grimmiger Energie gibt Nils Liebscher den Monarchen als gespenstischen Schatten seiner selbst, als erstarrtes Fossil einer überkommenen Epoche, das sich, todkrank und verbittert, an die Trümmer seiner Macht und seiner Weltsicht klammert. Sohn Karlos, der Infant, scheint ihm als Idiot. Und doch schwingt in der Verachtung, mit welcher der selbstherrliche Autokrat den Idealismus und Humanismus der Jungen straft, ein gewisser Respekt mit – vor allem für Marquis von Posa[, … der sich letztlich] für Don Karlos (Hans Ehlers) [opfert] – und dem Freund [damit hilft], den Revoluzzer in sich wiederzuentdecken. Der zur Nabelschau neigende Prinz war nämlich bis dato vollends gelähmt vom Selbstmitleid und Liebeskummer.
Die Kunst, Emotionen zu kontrollieren und Bedürfnisse unterzuordnen, ohne die eigene Würde zu verlieren, lehrt ihn die vergebens angebetete Stiefmutter Elisabeth von Valois, die Ines Maria Winklhofer als starke und im Rahmen ihrer Möglichkeiten hochemanzipierte Frau zeichnet. […]
Dass fein dosiert auch Situationskomik ihren Platz in dieser Tragödie findet, ist auch das Verdienst der beiden Hofschranzen Herzog von Alba (Tobias Bode) und Pater Domingo (Stephan Mertl), die nebst Chef-Leibwächter Lerma (Niklaus Scheibli) im königlichen Dunstkreis listig intrigieren. Kräftiger Applaus lohnt die fabelhafte Leistung des Ensembles.“
– Dieter Ungelenk, Neue Presse
„Es gab schon bessere Klassiker-Inszenierungen, aber auch schlechtere.“
– Caroline Herrmann, Fränkischer Tag